Das kleinste Opernhaus zu Gast im größten Stadtschloss Deutschlands
„Es muss ein ganz besonderer Anlass sein!“ – Das war immer unser Grundsatz, wenn wir auf das Thema „Gastspiele“ angesprochen wurden.
Ein solcher Anlass war beispielsweise, als wir zu Wolfgang Amadeus Mozarts Geburtstag dessen Oper „Die Zauberflöte“ im Mozarthaus in Augsburg spielten.
Die Einladung, die uns im Frühjahr erreichte, war so reizvoll, dass wir ohne Zögern sogleich damit begannen, für diesen Event eine neue Reisebühne zu bauen. Schließlich ging es um ein Gastspiel bei der Münchener Residenzwoche. Welch' ein Traum: Deutschlands kleinstes Opernhaus gastiert im größten Stadtschloss Deutschlands, der Münchener Residenz!
Unsere Aufführungen fanden im Schlachtensaal, dem einstigen Vorzimmer des Appartements des bayerischen Königs statt, das seinem Wachpersonal als Aufenthaltsraum diente. Zu erreichen war dieser Saal über die monumentale frisch restaurierte Gelbe Treppe.
Für den Aufbau unserer Reisebühne war uns eigens ein Kastellan als Ansprechpartner zugeteilt, der uns bei unserer Ankunft über einen nur für berechtigte Personen zugänglichen Aufzug ins Obergeschoss des Königsbaus und von dort in den Schlachtensaal führte.
Für die in königlichen Dingen nicht so bewanderten Menschen wie uns sei hinzugefügt, dass ein Kastellan ein Aufsichtsbeamter einer Burg, eines Schlosses oder eines Palais ist. Heute würde man von einem Hausmeister sprechen, aber diese Bezeichnung passt ja nun wahrlich nicht in solch' herrschaftliche Gefilde.
Alles war natürlich alarmgesichert, sind in den dortigen Räumlichkeiten ja millionenschwere Schätze ausgestellt.
Jetzt hatten wir nur noch das Problem, unser für kurze Zeit direkt im Residenzhof abgestellte Auto ordnungsgemäß zu parken. Auch hier zeigte man uns großes Entgegenkommen und gewährte uns Einlass im nahe gelegenen Apothekerhof. Aber was nun? Wie sollten wir uns auf diesem Areal, das insgesamt stolze 40.000 Quadratmeter umfasst, jemals zurechtfinden und den Weg zurück in den Schlachtensaal finden? Aber zum Glück war unser Kastellan auch da Retter in der Not, holte uns ab und brachte uns über zahlreiche Höfe, Flure und Säle wieder wohlbehalten in den Schlachtensaal.
Auf unsere Frage, ob er denn alle Wege in der Residenz kenne, antwortete er trocken: „Ich arbeite jetzt hier seit 14 Jahren. Ich würde mal schätzen, dass mir rund 80% der Wege bekannt sind.“
Schließlich konnten wir uns nun dem Aufbau unserer eigens für dieses Event gebauten Reisebühne widmen.
Um dem interessierten Publikum die Möglichkeiten von Operninszenierungen auf einer Miniaturbühne näher zu bringen, hatten wir die Wolfsschlucht-Szene aus dem „Freischütz“ ausgewählt. In unserer Inszenierung warteten wir mit einigen Spezialeffekten auf: So bewegten sich beispielsweise die Geister, die von Kaspar heraufbeschworen wurden, zum Einen als reale Figuren auf der Bühne. Gleichzeitig wurden sie über einen in der Unterbühne angebrachten Spiegel auf die Kulissen projiziert, was den visuellen Eindruck zusätzlich steigerte.
Rund 400 Zuschauer sahen dieses Spektakel bei insgesamt 16 Aufführungen.
Das Publikum kam aus aller Herren Länder über China, Japan bis nach Südamerika, aus unseren europäischen Nachbarländern wie Spanien und Italien und natürlich auch aus ganz Deutschland. Über das große Interesse und den regen Austausch beim „Blick hinter die Kulissen“ haben wir uns natürlich sehr gefreut.
Unser Ehrengast war bei allen Vorstellungen der Bayernkönig Ludwig I. höchst persönlich, der von seiner Büste herab „wohlwollend“ - wie ein Zuschauer meinte - das ganze Geschehen genau beobachtet hat.
In der 2. Hälfte der Residenzwoche stand dann ein Papiertheater-Workshop auf dem Programm. Unsere kleinen und großen Teilnehmer waren mit viel Eifer dabei, ihr eigenes Papiertheater zu basteln, das sie am Ende auch mit nach Hause nehmen durften. Um auch dort etwas zum Basteln und Experimentieren zu haben, stellten wir zusätzlich allen Teilnehmern eine Datei mit über 40 Setzstücken passend zum Theater in D-Größe zum Download bereit. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Theaterbetrieb in den heimischen vier Wänden dürften damit geschaffen sein.
Nach dem Theaterbau gab es für das häusliche Papiertheater-Spiel dann noch jede Menge Tipps und Anregungen. Unser Ziel war es dabei, den Kindern Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie mit einfachen Mitteln die Szenerie auf ihrem Theater verändern können:
So lassen sich etwa die Bühnenbilder mit Hilfe von Setzstücken so umgestalten, dass der Raum beim Zuschauer völlig neu erscheint.
Auch eine einfache Taschenlampe oder farbige Folien genügen, um eine spezielle Figur in den Fokus zu rücken oder die ganze Stimmung der Szene zu verändern.
Schließlich zeigten wir, wie eine Schwarzlichtlampe im abgedunkelten Raum dramatische oder gespenstische Effekte erzeugen kann.
Die Kinder waren mit großem Eifer dabei und hätten am liebsten unser Equipment gleich mit nach Hause genommen.
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